Schutzrechte bei NGT-Pflanzen – White Paper

 

Ein weißes Paragraphenzeichen liegt transparent auf Reben-SämlingenEin Thema wird im Zusammenhang mit Neuen Genomischen Techniken (NGT) in der Pflanzenzüchtung immer wieder diskutiert: Patente. Wer kann was schützen und wer hat Zugang zu Innovation, Saatgut und Pflanzeneigenschaften? Gemeinsam mit WePlanet haben wir ein White Paper1 zum Thema Schutzrechte bei NGT-Pflanzen veröffentlicht, das die Komplexität des Themas anerkennt und entsprechende Handlungsempfehlungen an die Politik richtet.

 

Die öffentliche Debatte über Schutzrechte für neue, mit NGT gezüchtete Pflanzensorten ist derzeit von Polarisierung und pauschaler Ablehnung geprägt – insbesondere in Teilen der Zivilgesellschaft. Differenzierte Perspektiven sind selten, obwohl die Realität deutlich vielschichtiger ist. Wir bei ÖkoProg und auch bei WePlanet haben uns deshalb eingehend und ergebnisoffen mit dem Thema beschäftigt, geleitet von unserem übergeordneten Ziel: die für Mensch und Natur besten Lösungen zu finden. Und dazu gehört, die laut Wissenschaft vielversprechenden NGT für die Pflanzenzüchtung nicht länger zu blockieren.

Ein konstruktives Vorankommen bei der Novellierung des EU-Gentechnikrechts wird allerdings bisher durch die andauernde Debatte über Patente mit ihren verhärteten Fronten erschwert. Dabei ist es längst an der Zeit, dass sich die Politik aktiv an einer konkreten Ausgestaltung beteiligt, die sowohl eine nachhaltige Landwirtschaft als auch die Förderung von Innovation und den fairen Zugang zu dieser sicherstellt. Das nun vorliegende White Paper mit dem Titel “Growing Smarter – Navigating Patents, Breeder’s Rights, and Equity in Agricultural Innovation in Europesoll dabei helfen, konstruktiv durch das Thema Schutzrechte zu navigieren. Um endlich die Anwendung von NGT-Pflanzen für möglichst viele Züchtungsunternehmen und die Landwirtschaft zu ermöglichen.

→ Hier geht´s direkt zum White Paper

 

EU-Trilog 

zum Entwurf einer EU-Verordnung “über mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel sowie zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/625”

Die EU-Trilog-Verhandlungen zur Regulierung von Pflanzen, die durch neue genomische Techniken (NGTs) erzeugt wurden, sind am 06.05.2025 gestartet.

2023 wurde durch die EU-Kommission ein entsprechender Gesetzentwurf formuliert, der gemäß der europäischen Rahmenbedingungen durch den EU-Rat und das EU-Parlament kommentiert wurde (vgl. Aufbau der EU). Sind sich die Vertreter*innen innerhalb der Organe einig, beginnen die Verhandlungen zwischen den drei EU-Organen, der sogenannte Trilog. Die verschiedenen Positionen stellt die EU zum Start der Trilog-Verhandlungen in einem Spalten-Papier übersichtlich dar, sodass die verschiedenen Gremien und Stakeholder (Interessensgruppen) leicht erfassen können, welche Diskussionspunkte noch offen sind. Der EU-Trilog soll der endgültigen Kompromissfindung dienen.

Im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses zur Regulierung von NGTs haben sich viele Interessensgruppen geäußert und durch sogenannte Positionspapiere ihre Einschätzung und/oder Kritikpunkte in die Diskussion eingebracht. Die Kritikpunkte betrafen hauptsächlich drei Themenfelder: die Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und vor allem gewerbliche Schutzrechte wie Patente.

Das Thema Patente auf Pflanzenzüchtungsprodukte wurde auch intensiv in einem gemeinsamen Webinar der Deutsche Gesellschaft für Synthetische Biologie (GASB) mit ÖkoProg diskutiert: Gentechnik Knackpunkt #3: Patente

Sortenschutz

In der Pflanzenzüchtung nimmt vor allem der Sortenschutz eine zentrale Rolle ein. Mit ihm können Züchter ihre gezüchteten Sorten für 20-30 Jahre schützen lassen, sodass niemand ohne Lizenz genau diese Sorte anbauen und vermarkten darf. Der Inhaber des Sortenschutzes einer Pflanzensorte hat allein das Recht, das Vermehrungsmaterial (Saatgut, Edelreiser, Steckhölzer) in den Verkehr zu bringen. Allerdings dürfen auch geschützte Sorten zur Züchtung neuer Sorten verwendet werden (Züchterprivileg/Züchterausnahme, vgl. § 10a SortSchG). 

 

Patente

In den derzeitigen Debatten rund um neue Züchtungs-Technologien wird dem Sortenschutz das Patentrecht gegenübergestellt. Dabei decken Patente und Sortenschutz unterschiedliche Aspekte ab. Patente dürfen auf bestimmte Merkmale von Pflanzen (also bestimmte DNA-Abschnitte) erhoben werden. Da diese DNA-Merkmale für mehrere Sorten verwendet werden können und sollen, um beispielsweise die Resistenzeigenschaften gegenüber Krankheitserregern zu stärken, können die Merkmale nicht durch den Sortenschutz geschützt werden. Für die Identifikation und Erzeugung solcher Merkmale (also der Forschung durch Genveränderung) wird viel Zeit und Geld investiert, weshalb forschende Unternehmen und Forschungseinrichtungen/Universitäten ein Interesse daran haben, nicht nur Sorten, sondern auch bestimmte Eigenschaften von Pflanzen durch Patente schützen zu können. 

 

Sortenschutz gewünscht

Die Sortenentwicklung nahm durch wissenschaftliche Erkenntnisse seit der Entwicklung der mendelschen Regeln immer mehr an Fahrt auf. Damit stieg auch das wirtschaftliche Interesse der Landwirtschaft an hochwertigem Saatgut, doch an Schutz- und Kontrollmechanismen mangelte es. Minderwertige Sorten, die sich nicht ohne weiteres von Qualitätssorten unterscheiden ließen, gelangten auf den Markt und schädigten die Refinanzierung des Saatgutentwicklers. Landwirten war es nicht möglich, zuverlässig hochwertiges Saatgut zu erwerben, sodass auch sie um ihren Ertrag und somit den Gewinn ihrer Arbeit gebracht wurden. Weiterhin wurde hochwertiges Saatgut illegal vervielfältigt und weiterverkauft. Dadurch sahen sich die Pflanzenzüchter im Handel zunehmend mit minderwertigem Saatgut oder auch Nachbauten konfrontiert und forderten einen mit dem Patentrecht vergleichbaren Schutz für ihr Saatgut. Die Forderungen der Züchter wurden 1927 in der Resolution des Conseil International Scientifique Agricole (Internationaler Wissenschaftlicher Beirat für Landwirtschaft) zusammengefasst2.

 

Erstes Schutzrecht für Pflanzensorten kam 1953

Doch die Forderungen fanden zunächst kein Gehör, da die politischen Vertreter die Landwirtschaft nicht durch Lizenzzahlungen zusätzlich belasten wollten. 1934 wurde durch den Reichsnährstand eine Verordnung über Saatgut erlassen, die auch den Züchtern entgegenkam, da durch Regularien (Sortenmerkmal-Erfassung & Sortenanbau-Versuche bzgl. Ertragskraft und Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheitserregern) verhindert wurde, dass minderwertiges Saatgut oder nicht-lizenzierte Nachbauten verbreitet wurden. Aber erst 1953 entstand in Deutschland ein Schutzrecht für Pflanzensorten und damit flammte auch die Diskussion Sortenschutz oder Patente wieder auf. Nach umfangreichen Diskussionen wurde sich darauf verständigt, dass das Saatgutgesetz dem Patentgesetz vorzuziehen sei3.

Saatgutqualität liegt übrigens auch im Interesse der Verbraucher*innen. Bei fehlenden Qualitätskontrollen kann es beispielsweise zur Reaktivierung unerwünschter Gene kommen, wodurch Schadstoffe produziert werden können. Hobbygärtner haben hoffentlich schon davon gehört, dass man Zucchini oder andere Kürbisgewächse (Cucurbita pepo) besser nicht selbst vermehrt, da sich giftige Cucurbitacine anreichern könnten (siehe auch hier oder hier).

 

Die neuen Züchtungstechnologien

Mit Entwicklung der Genomeditierung bzw. den neuen genomischen Techniken (NGTs) wie der Genschere CRISPR/Cas und der geplanten Adaptierung des ursprünglichen EU-Gentechnik-Gesetzes von 1990 (Richtlinie 90/220/EWG,  RICHTLINIE DES RATES vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt), können viele Argumente der Gentechnik-Gegner entkräftet werden. Inszenierte Bilder wie Tomaten oder Mais, denen per Spritze artfremde Gene injiziert werden, kommen nicht mehr zum Tragen, weil die DNA der NGT-Pflanzen durch pflanzeneigene Reparaturmechanismen verändert wird. Die DNA wird an einer gewünschten Stelle durch die Genschere aufgebrochen und anschließend die Auswirkungen untersucht, die durch Reparaturfehler entstehen. Schon sehr kleine Veränderungen der DNA können große Auswirkungen auf die Pflanzeneigenschaften haben. 

 

Mutagenese als ungerichtete Gentechnik

Ein etabliertes Verfahren ist die Mutagenese, die ähnliche Ergebnisse wie NGT liefert. Seit Jahrzehnten werden in der Pflanzenzüchtung Pflanzen und Saatgut Stressoren wie Radioaktivität oder Chemikalien ausgesetzt. Diese Stressoren schädigen die DNA an vielen Stellen und führen dazu, dass neue Eigenschaften in der Pflanze entstehen. In der Natur geschieht dies u. a. durch UV-Strahlen. Während Mutagenese sehr unspezifisch zu vielen Mutationen führt, deren Auswirkungen nicht alle analysiert werden können, handelt es sich bei der Genomeditierung um ein äußerst präzises Verfahren. Die Genomeditierung erlaubt es Züchtern und Forschenden, genau nachzuverfolgen, an welcher Stelle die DNA gebrochen wird.

Der Europäische Gerichtshof urteilte 2018 zwar, dass es sich bei Mutagenese um Gentechnik handele, man aber auf Grund der langen Erfahrung keine Gefahren im Umgang damit erwarte. Entsprechend sind auch bei NGTs keine unbekannten Risiken zu erwarten, was verschiedene Wissenschaftseinrichtungen wie die “Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina” und die “Deutsche Forschungsgesellschaft” in einem gemeinsamen Positionspapier zum Gesetzentwurf über die Regulierung von NGTs bestätigen. 

 

Gewerbliche Schutzrechte als letzte Bastion 

Daher bleibt im Argumentarium gegen Gentechnik nicht mehr viel übrig, sodass sich verschiedene Gruppierungen mit der Verhinderung der Patentierung von Pflanzeneigenschaften beschäftigen. 

Begründet wird die Ablehnung der Patentierung von Saatgut vor allem damit, dass Züchter in ihrer Arbeit gehindert werden könnten. Es wird befürchtet, dass sie nicht ohne weiteres von ihrem Züchterprivileg Gebrauch machen könnten, welches sie dazu berechtigt, mit etablierten Sorten weiterzüchten und die Eigenschaften der Sorten entsprechend frei zu nutzen. Denn wenn Patente auf den Sorteneigenschaften liegen, benötigt der Züchter wiederum ein Nutzungsrecht, zu dessen Vergabe der Patenteigner nicht verpflichtet ist. Übrigens können auch Forschungseinrichtungen und Universitäten patentieren und über die Lizenzvergabe in Umfang und Höhe auch die züchterische Nutzung beeinflussen, also z. B. die Lizenz an non-profit Züchtungsinstitute weitergeben.

 

Patentabkommen 

Ein Verbot von Patenten auf Saatgut ist aber aus verschiedenen Gründen nur schwer möglich und kann auch zu wirtschaftlichem Schaden führen. Beispielsweise, weil es internationale Vereinbarungen wie u. a. das TRIPS-Abkommen (engl. Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) gibt, welches die Rahmenbedingungen für gewerbliche Schutzrechte der Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (engl. World Trade Organization, WTO) regelt. Auch könnten entsprechende Einschränkungen der EU-Biopatent-Richtlinie entgegensprechen, da prinzipiell jegliches “biologische Material”, also sowohl pflanzliche Einzeller oder Nutzpflanzen patentierbar sind, wenn sie neu sind, durch biotechnologische Verfahren hergestellt wurden (also eben nicht durch klassische Züchtung) und das Prinzip/Verfahren auf mehr als eine Pflanzenart anwendbar ist. Hier ist wichtig zu wissen, dass Pflanzensorten per se nicht  patentierbar sind.

 

Diskussionen zur Änderung des Patentschutzes von Pflanzeneigenschaften 

Nichtsdestotrotz wurde im Rahmen eines Auftrags der deutschen Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Gutachten beauftragt, das die Möglichkeiten der Patenteinschränkung bei Pflanzeneigenschaften analysieren sollte. Im Januar brachte außerdem die polnische EU-Ratspräsidentschaft den Vorschlag ein, man könne die Regulierung genomeditierter Pflanzen von ihrem Patentstatus abhängig machen: Pflanzen die patentierte Eigenschaften tragen, müssten wie klassische GVOs (Genetische veränderter Organismus) behandelt werden und nur Pflanzen ohne patentierte Eigenschaften dürften wie konventionelle Sorten zugelassen werden. Für einige Interessensgruppen mag dieser Vorschlag verlockend klingen, aber rechtliche  und regulatorische Unsicherheit würde mit einem solchen Vorschlag einhergehen. Denn der Patentstatus von Pflanzen kann auf Grund der langen Laufzeit eines Patentierungsverfahrens unklar sein, sodass eine Verknüpfung des Marktzugangs mit dem Patentstatus die Sortenzulassung verlangsamen und verkomplizieren würde. 

Kompromiss

Da es rechtlich und auch wirtschaftlich nur schwierig möglich ist, Patente auf Saatgut zu unterbinden, haben einige Stakeholder Lösungsvorschläge erarbeitet. Durch Lizenzplattformen soll es Züchtern ermöglicht werden, einen Katalog über patentierte Pflanzeneigenschaften abzurufen und die Rechte zur Nutzung zu erwerben. Der europäische Saatgutverband Euroseeds hat bspw. die Transparenz-Plattform PINTO (engl. Patent information and transparency on line) etabliert, während weitere Industrievertreter die Plattformen ACLP (engl. Agricultural crop licensing Platform, für Getreide) und ILP-vegetable (engl. Industrial Licensing Platform Vegetable, für Obst) eingerichtet haben, mit denen eine Übersicht über den Patentstatus von Pflanzeneigenschaften geschaffen und ein fairer Lizenzerwerb ermöglicht werden soll. 

 

Die Position von ÖkoProg und WePlanet

ÖkoProg und WePlanet sehen das Potenzial neuer Züchtungstechnologien und befürworten eine schnelle Einigung der EU hin zu einer praktikablen Nutzung von NGT-Pflanzen in Europa.

Die Vereine unterstützen daher die Kompromisslösung der Lizenzplattformen, die ein organisiertes und transparentes System für die Nutzung patentierter Pflanzeneigenschaften ermöglichen soll. 

Unsere detaillierte Position mit weiteren Hintergrundinformationen findet ihr hier.

Sophia Müllner

Einzelnachweise

  1. Als White Paper werden Dokumente bezeichnet, die eine Sammlung von Hintergrundinformationen und Empfehlungen zu einem bestimmten Thema liefern. Dabei soll die Thematik möglichst objektiv formuliert sein und das Dokument soll als Entscheidungshilfe dienen.
  2. Neumeier, Hans. Sortenschutz und/oder Patentschutz für Pflanzenzüchtungen. Köln, Berlin, Bonn, München. Heymann, 1990 (Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Bd 80) Zugl. München, Univ. Diss, 1989, ISBN 3-452-21709-4, S. 13 ff
  3. Neumeier, Hans. Sortenschutz und/oder Patentschutz für Pflanzenzüchtungen. Köln, Berlin, Bonn, München. Heymann, 1990 (Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Bd 80) Zugl. München, Univ. Diss, 1989, ISBN 3-452-21709-4, S. 13 ff

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