Spirulina anbauen

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Mögliches Setup für die Kultivierung von Mikroalgen zuhause. (Ein Mikroskop kann nützlich sein, ist aber auf keinen Fall notwendig.)

In diesem Artikel geht es darum, wie du die Mikroalge Spirulina ohne großen Auffand Zuhause anbauen kannst. Er bezieht sich auf die am häufigsten genutzte Art Arthrospira platensis.

Einführung

Spirulina (korrekter: Arthrospira) ist eine Gattung der Cyanobakterien, die man auch Blaualgen nennt (im Gegensatz zu den Blaualgen aus dem Badesee, sind sie aber nicht giftig, sondern im Gegenteil sehr gesund). Sie können zu über 50% aus Eiweiß bestehen und enthalten neben vielen Vitaminen auch die Spurenelemente Calcium, Eisen und Magnesium in bioverfügbarer Form. Deshalb gilt sie bei der Welternährungsorganisation FAO seit Langem als vielversprechendes Nahrungsmittel, gerade auch für den globalen Süden. Spirulina wird sogar von der NASA und der ESA als potenzielles Nahrungsmittel für Langzeitmissionen im All diskutiert.


Der Vorteil von Spirulina ist auch, dass sie in sehr alkalischen Gewässern vorkommt. Das bedeutet, dass du keine Angst haben musst, dass die Kultur mit anderen Algen, Pilzen oder Bakterien kontaminiert wird, weil die bei einem pH-Wert von über 10 nicht überleben können. Du musst also nicht einmal besonderen Wert auf steriles Arbeiten legen.

Material

Der „Bioreaktor“

Aquarium mit Ernteschlauch als möglicher Bioreaktor

Suche dir für deine Algen ein durchsichtiges Behältnis. Die Größe entscheidest du, je mehr Volumen, desto mehr erntest du. Es eigenen sich zum Beispiel Plastikflaschen, Glasflaschen, große Einmachgläser oder ein Aquarium. Natürlich muss Licht in das Gefäß fallen können.

Licht

Wenn du eine Fensterbank hast, würde ich als Lichtquelle die Sonne empfehlen, ansonsten tut es auch eine helle Lampe (wirkt sich aber natürlich auf die CO2-Bilanz der Ernte aus). Je mehr Licht, desto schneller wachsen die Algen. Die Spirulina sollte nicht für längere Zeit in direktem Sonnenlicht sein. Daher könnte es sinnvoll sein ein Tuch o.ä. über die Kultur zu legen.

Wärme

Spirulina wächst am Besten bei etwa 35°C, aber auch bei Zimmertemperatur funktioniert es. Wenn im Sommer die Sonne auf das Gefäß scheint, reicht das völlig aus. Bei weniger als 15°C kommt das Wachstum praktisch zum Erliegen, Spirulina toleriert jedoch Temperaturen von bis zu 8°C ohne abzusterben. Bei über 38°C können die Zellen schaden nehmen und absterben. Starke Temperaturschwankungen sind wegen Schockgefahr zu vermeiden. Wahrscheinlich wird es leichte Temperaturschwankungen von plusminus 2 Grad über Nacht geben. Wenn dein Aquarium zu kalt ist, kannst du es mit einer Aquarienheizung aufwärmen. Solche Geräte findest du im Aquarien- oder Zooladen.

Belüftung

Installierte Auqariumspumpe nahe der Oberfläche.

Algen verarbeiten im Wasser gelöstes CO2, dabei entsteht Sauerstoff, der dann ebenfalls im Wasser gelöst ist, oder als kleine Bläschen aufsteigt. Damit immer frisches CO2 im Wasser ist, kann es sinnvoll sein, Luft dadurch blubbern zu lassen. Außerdem schwimmen die Spirulina-Zellen nicht von alleine umher sondern müssen umgerührt werden.

Entweder du rührst also 3-4 mal am Tag um, oder du nimmst dafür eine einfache Aquariumpumpe. Diese sollte nahe der Oberfläche hängen. Um die Spirulina nicht zu sehr zu stressen installiere eine Zeitschaltuhr, die circa 8 mal am Tag für 15 Minuten pumpt. Zwischen den Pumpzeiten muss mindestens eine halbe Stunde Pause sein. In der Nacht nicht pumpen, damit die Kultur atmen kann. Du solltest darauf achten, Luftschläuche in Lebensmittelqualität z. B. aus Silikon zu verwenden, denn billige PVC-Schläuche enthalten oft krebserregende Weichmacher, die man seinen Guppies vielleicht antut, aber nicht in seinem Essen haben will.

Startkultur

Für den Anfang brauchst du eine kleine Menge lebender Algen. Kulturen von der Algenart Nannochloropsis kann man in jedem gut sortierten Aquaristikgeschäft kaufen. Spirulinakulturen habe ich allerdings bis jetzt in Europa nur in England und Schweden zu kaufen gefunden, oder für viel Geld aus der Algensammlung der Uni Göttingen. Deswegen ist dafür die :subKultur-Mikroorganismen-Tauschbörse genau das Richtige. Bestimmt findest du in deiner Nähe eine Person, die dir etwas von ihrer Spirulina-Kultur abgibt.

Wasser

Der Hauptbestandteil von jedem Medium ist natürlich Wasser. In amerikanischen Anleitungen ist oft die Rede von destilliertem oder entchlortem Wasser. Chlor ist nämlich tödlich für Mikroorganismen (darum wird es überhaupt ins Wasser gemischt). Das musst du natürlich nicht machen, wenn du in einer Gegend wohnst, wo Wasser in guter Trinkqualität aus dem Wasserhahn kommt.

Salze und Nährstoffe

etwas Magnesiumsulfat in einem Becherglas

Ganz ohne andere Stoffe geht es dann doch nicht. Alle Lebewesen brauchen zumindest ein Bisschen Stickstoff und Phosphor und auch noch ein paar andere Sachen. Die gibst du als Dünger in das Wasser und stellst so das “Nährmedium” her.

Für einige Algenarten kannst du fertiges Nährmedium im Aquaristik-Fachhandel kaufen. Für Spirulina, die es ja sehr alkalisch mögen habe ich so etwas noch nicht gefunden und stelle es deswegen selbst her.

Du musst dafür nicht viel Ahnung von Chemie haben, du kannst die Zutaten einfach wie bei einem Kochrezept zusammenmischen und umrühren. Es gibt ganz verschiedene Rezepte, die alle funktionieren. Einige benutzen sogar natürliche Zutaten wie z. B. Urin. Die meisten benutzen aber chemische Reinstoffe. Das bekannteste Rezept ist das Zarrouk-Medium, das in den 60er Jahren an der Universität von Paris erfunden wurde.

Achtung! Auch wenn das hier nicht die gefährlichsten Chemikalien der Welt sind, achte bitte immer auf deine Sicherheit. Du solltest mindestens eine (Schutz-)brille tragen und dir nach dem Kontakt gut die Hände waschen. Natürlich müssen alle Stoffe für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden.

Leider kann man nicht alle Zutaten dafür unkompliziert in Europa kaufen, deshalb habe ich eine abgewandelte Version davon zusammengestellt, die ich :subKultur-Medium-1 nenne. Genauere Erklärung zu den einzelnen Inhaltsstoffen findest du weiter unten.

In der folgenden Tabelle habe ich beide Rezepte mal zusammengestellt (alle Werte in g/L):

Formel Name :subKultur-Medium-1 Zarrouk-Medium
NaHCO3 Natron (Natriumhydrogencarbonat) 16.8 16.8
NaCl etc. Meersalz (unbehandelt) 1.0
NaCl Kochsalz 1.0
K2SO4 Kaliumsulfat 1.0 1.0
NaNO3 Natriumnitrat 2.5
CH4N2O Urea (Harnstoff) 0.09*
K2HPO4 Dikaliumhydrogenphosphat 0.5 0.5
MgSO4 * 7(H2O) Magnesiumsulfat 0.2 0.2
CaCl2 * 2(H2O) Calciumchlorid 0.04 0.04
Fe EDTA Eisenchelat 0.015
FeSO4 * 7(H20) Eisensulfat 0.01
EDTA Ethylendiamintetraessigsäure 0.08
Mikronährstofflösung 1.0

* schrittweise erhöhen auf 0.5g/l (s. Absatz “Urea”)

Natron

Natron oder Natriumhydrogencarbonat ist wohl vor Allem zum Anheben des PH-Wertes (s. unten) gedacht. Es ist der Hauptbestandteil von Backpulver und gesundheitlich völlig unbedenklich.

Natron kannst du im Supermarkt, in der Drogerie oder viel billiger in größeren Mengen im Internet kaufen.

Kochsalz / Meersalz

Salz beim Abwiegen

Zarrouk arbeitet wohl aus wissenschaftlichen Gründen mit Reinstoffen. Weil wir aber nicht die coole Mikronährstofflösung haben, nehmen wir lieber Meersalz in dem neben Kochsalz (NaCl) auch noch viele andere Mikronährstoffe enthalten sind. Unbehandeltes Meersalz kann man zum Essen kaufen.

Meersalz in Lebensmittelqualität kannst du im Supermarkt kaufen.

Kaliumsulfat

Kaliumsulfat ist in der EU ohne Höchstmengenbeschränkung als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen (E515). Es ist also auch unbedenklich.

Kaliumsulfat kannst du im Internet in Lebensmittelqualität kaufen.

Natriumnitrat

Natriumnitrat ist zwar auch als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen (E 251), aber ich konnte es, als ich das letzte Mal danach gesucht habe, nicht als Privatperson kaufen (aus Sicherheitsgründen ?).

Urea

Urea oder Harnstoff ist ebenfalls ein (zumindest für Kaugummis) zugelassener Lebensmittelzusatzstoff (E927b). In diesem Paper von der Agraruniversität Gazipur, Bangladesch wird das Ersetzen von Natriumnitrat durch Urea diskutiert. Beide eignen sich als Stickstoffquelle. Urea ist zwar billiger, man sollte aber nicht so viel auf einmal verwenden. Vermutlich ist es deshalb am besten, wenn man mit nur 0.09g/l anfängt3. Über die Zeit sollte auf einen Gesamteintrag von 0.5g/l erhöht werden.

Urea kannst du im Internet in pharmazeutischer Qualität kaufen.

Eisen

Cyanobakterien brauchen Eisen. Sie können sogar sehr viel davon aufnehmen, was sie als Eisen-Nahrungsergänzungsmittel attraktiv macht. Wie alle Lebewesen können sie aber kein metallisches Eisen aufnehmen, es reicht also nicht, z. B. Eisennägel in das Medium zu legen.

Im Zarrouk-Medium wird Eisensulfat als Eisenlieferant eingesetzt. Um eine bessere Bioverfügbarkeit zu erreichen wird noch der Komplexbildner EDTA hinzugefügt.

Ich verwende direkt Eisen(III)-Natrium-EDTA. Dieses ist seit 2010 in der EU begrenzt für Lebensmittel zulässig. Die Menge habe ich so ausgerechnet, dass sie der Eisenmenge im Zarrouk-Medium entspricht.

Eisen(III)-Natrium-EDTA kannst du im Internet als Dünger kaufen.

Mikronährstoffe

Im originalen Zarrouk-Medium wird 1ml einer speziellen Mikronährstofflösung zugesetzt, die Vitamine und Spurenelemente enthält. Ich habe bis jetzt keinen Weg gefunden, mit vertretbarem Aufwand diese Lösung zu mischen. Bei mir funktioniert es im Moment auch ohne. Ich denke, dass einige wichtige Spurenelemente auch durch das Meersalz eingebracht werden. Ansonsten gibt es Mikronährstoffdünger für Pflanzen zu kaufen, das wäre sicher einen Versuch wert.

Neue Kultur starten

Etwas Medium mit lebenden Spirulina-Algen als Startkultur.

Jetzt kann es losgehen! Rühre das Nährmedium an wie beschrieben. Entlasse die Hälfte deiner Startkultur in das Gefäß. Wenn das Gefäß sehr groß ist solltest du zunächst ein kleineres Behältnis nehmen, und es irgendwann umfüllen, wenn du genug Algen hast oder Schritt für Schritt auffüllen. Einen Teil solltest du zurückbehalten, falls etwas schief geht.

Es empfiehlt sich, immer zwei Kulturen zu haben, damit man nicht ganz von vorne anfangen muss sollte eine Kultur sterben.

Die Startkultur kannst du nun mit dem Nährmedium verdünnen. Ein Verhältnis von 1:1 ist sinnvoll. Wenn du es zu stark verdünnst, können die Algen dem Licht zu stark ausgesetzt sein und Schaden nehmen. Die Algen werden sich nun vermehren, das bedeutet letztlich nur, dass das Wasser immer grüner wird. Wenn die Kultur nach einigen Tagen wieder einen tiefgrünen Zustand erreicht hat, kannst du sie wieder verdünnen und wieder warten, verdünnen und so weiter. Es wird also exponentiell mehr, das bedeutet nach 7 Verdünnungen hast du schon mehr als die 100-fache Menge. Die Farbe der Kultur sollte dabei immer tiefgrün sein. Das ganze machst du so lange bis die gewünschte Menge erreicht, oder der Behälter voll ist.

Eine neue Kultur wird vorsichtig ins Wasser gelassen.
Sie akklimatisiert und verbreitet sich.

Kultivierung

Damit die Algen möglichst schnell wachsen, solltest du wie oben schon angedeutet darauf achten, dass sie genug Licht haben, genügend verwirbelt werden (siehe Belüftung) und nicht zu warm und nicht zu kalt werden.

Das ganze kann man wenn man will stark automatisieren. Ich habe dabei im Moment einen Mini-Computer und diverse Sensoren und Funksteckdosen im Einsatz, in der Wissenschaft und der Industrie wird alles natürlich noch viel genauer kontrolliert und geregelt. Wirklich notwendig für ein ausreichendes Algenwachstum ist das alles aber nicht. Die Algen, die bei mir einfach im Marmeladenglas auf der Fensterbank stehen vermehren sich auch ganz schön schnell. Einfach ab- und zu umrühren und beim Wachsen zugucken reicht theoretisch völlig aus.

Regelmäßig checken wie viele Spirulina in der Kultur sind. Hierfür kann eine sogenannte Secchi Disk hilfreich sein, die du einfach selber bauen kannst. Diese von oben in die Kultur halten und die Anzahl der Striche zählen, die es braucht, bis die Fläche nicht mehr zu sehen ist. Wenn die Dichte zwischen Secchi 2 und Secchi 4 liegt, kann geerntet werden.

Wenn die Kultur sehr dicht ist, also sehr dunkelgrün, ist das kein Problem, sie wächst dann einfach langsamer. Zu dünn sollte die Kultur nicht sein.

Ernten

Wenn die Spirulinakultur ganz dunkelgrün ist, oder genauer, wenn sie eine Dichte von Secchi 2, 3 oder 4 hat, kann sie geerntet werden. Hierfür, am besten morgens, einen Teil der Kultur herausfiltern. Achtung! Nicht alle Spirulina herausfiltern. Die verbleibende Kultur sollte nicht zu dünn sein um gut weiterwachsen zu können.

Einfach die Spirulinakultur in einen passenden Filter gießen. Die grüne Paste der Spirulina, verbleibt im Filter. Das Wasser, welches unten herauskommt aufbewahren und wieder in den Bioreaktor geben. Die Spirulina zweimal mit klarem oder leicht salzigem Wasser durchspülen, damit die Mineralien und ihr Geschmack rausgehen. Nun kann sie gegessen oder verarbeitet werden: in Smoothies, Salaten, Soßen, Quarks, zum Färben beim Backen o.ä.. Sie hält sich ein paar Tage im Kühlschrank, kann auch eingefroren oder in der Sonne oder im Dörrautomat getrocknet werden.

Das fehlende Wasser muss nun aufgefüllt werden. Dann kann die Kultur weiterwachsen.

Quellen

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Secchi-Scheibe
  2. https://wiki.lowtechlab.org/wiki/Culture_de_la_spiruline#Schritt_1_-_Construire_un_spirum%C3%A8tre_ou_disque_de_Secchi
  3. Zuhause Spirulina anbauen: 13 Schritte (mit Bildern) - wikihow, https://de.wikihow.com/Zuhause-Spirulina-anbauen
  4. https://wiki.lowtechlab.org/wiki/Culture_de_la_spiruline