Erschienen inAllgemein, Umweltschutz
18. Dezember 2022

Biodiversität – Was ist das genau? Wozu ist sie gut? Und wie können wir sie schützen?

Biodiversität – ein Wort in aller Munde. Vor allem jetzt gerade, da die 15. Weltbiodiversitätskonferenz (COP15) in Montréal stattfindet.

Doch was bedeutet Biodiversität eigentlich genau, und wie können wir sie am besten schützen?

Biodiversität – Was ist das?

Gemäß dem UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt aus dem Jahr 1992 ist Biodiversität folgendermaßen definiert:

“Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. Dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten (genetische Vielfalt) und zwischen den Arten (Artenvielfalt) und die Vielfalt der Ökosysteme (und entsprechend der Interaktionen darin)”

Dabei gibt es zahlreiche Ebenen der Biodiversität. Sehen wir uns einige davon einmal etwas genauer an!

Rosenkohl, Brokkoli, Blumenkohl und Grünkohl gehören botanisch betrachtet alle der Art Brassica oleracea an, doch weisen sie eine große Vielfalt in Form, Farbe und ihren kulinarischen Eigenschaften auf. Diese Diversität innerhalb einer Ar tist im Falle des Kohles relativ extrem ausgeprägt und kommt durch die Selektion und Kreuzung durch den Menschen zustande. Doch auch in natürlich vorkommenden Arten gibt es diese Diversität innerhalb einer Art. Sie entsteht u.a. durch Unterschiede im Lebensraum und eine Anpassung an diese und man spricht dann von verschiedenen Ökotypen innerhalb einer Art (aus denen sich auch irgendwann getrennte Arten entwickeln können).

Die mannigfaltigen Unterschiede zwischen Arten sind das, was man in der Regel meint, wenn man von Artenvielfalt spricht. Innerhalb und zwischen den einzelnen Schichten eines Waldes gibt es zum Beispiel eine breit gefächerte Biodiversität, wenn wir an die unterschiedlichen Mikroben im Boden und die Arten der Kraut- und Baumschicht denken. Und auf einem noch höheren Level zählen wiederum unterschiedliche Lebensräume und Biome, wie z.B. eine Raps-Reinkultur, eine Wüste, ein Buchenwald oder ein tropischer Regenwald dazu. Die Diversität innerhalb der Biodiversität ist dabei so umfangreich, dass ihre Gesamtheit in der praktischen Umweltstudien so gut wie nie erfasst wird. Tatsächlich ist dies auch Gegenstand aktueller Forschung und moderne Methoden wie z.B. eDNA (environmantal DNA) ist ein nützliches Werkzeug, um auch unsichtbare Organismen sichtbar und damit “greifbar” zu machen. Doch das ist ein Thema für einen eigenen Artikel.

Abb. 1: Verschiedene Ebenen der Biodiversität. (Aus: Boenigk, J., & Wodniok, S. (2014). Biodiversität und Erdgeschichte.)

Nicht zuletzt ist der riesige und weit verzweigte phylogenetische Baum der Lebewesen ebenfalls ein eindrucksvolles Beispiel der Biodiversität.

Abb. 2: Der Baum des Lebens. (c) Leonard Eisenberg

Aber Vorsicht: Abbildung 2 zeigt nur die Lebewesen bzw. Arten! Doch wie bereits oben erwähnt, sind die Aspekte Lebensräume und Biome ein wichtiger Bestandteil der Biodiversität, denn sie bieten den Organismen den Lebensraum und sind unersetzlich für zahlreiche biochemische, biogeochemische, biophysikalische usw. Wechselwirkungen. Lebewesen und Lebensräume müssen immer zusammen gedacht werden, wenn es um Biodiversität und ihren Schutz geht.

Biodiversität – Wozu ist sie gut?

Manche Leute finden, die Natur und damit auch die Biodiversität hätten einen Wert für sich, also einen intrinsischen Wert. Deshalb seien sie, völlig unabhängig von allen anderen Faktoren, an sich schützenswert. Je nach persönlicher Auffassung mag man dem zustimmen oder nicht. Das ist wohl in erster Linie eine philosophische Frage und eine der persönlichen Einstellung.

Auf empirische Art und Weise lässt sich feststellen, dass Ökosysteme konkrete und messbare Leistungen und damit Nutzen für uns Menschen erbringen. Diese Auffassung wird auch von internationalen, wissenschaftlich-unabhängigen Institutionen, wie der FAO (Food and Agriculture Organisation of the United Nations) und der IPBES (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) vertreten.

Zu diesen Leisungen zählen:

  • Basis- oder unterstützende Leistungen, u.a.Prozesse wie Bodenbildung, Photosynthese (also die Umwandlung von CO2 in Sauerstoff und der Aufbau von Biomasse) und Nährstoffkreisläufe. Sie sind Grundlage für die anderen Leistungen der Biodiversität und der Ökosysteme.
  • Versorgungsleistungen: Bereitstellung von Gütern wie Holz, Nahrungsmitteln, Wasser, Holz, Fasern etc.
  • Regulationsleistungen: Ökosysteme steuern Klima und Niederschlag, schützen vor Überschwemmungen (Bsp.: Belaubung puffert Starkregen ab, Auen puffern Überschwemmungen ab) und Bodenerosion, speichern oder bauen Schadstoffe ab
  • Kulturelle Leistungen: Nationalparks oder Naturmonumente gehören zum kulturellen Erbe eines Landes / Region und stiften Identität. Sie haben einen Freizeit- und Erholungswert und eine spirituelle Wirkung. Sie werden als Kulturgüter und in ihrer sozialen Dimension anerkannt. Ihr Nutzen ist bedeutend für seelisches Wohlbefinden

Abbildung 3 gibt eine Übersicht dieser Ökosystemleistungen. Man kann auch sehr konkret sehen “was dabei herauskommt” (z.B. Trinkwasser, Klimaregulierung, Erholung usw.). Es ist also klar: Ökosystemleistungen bringen einen ganz konkreten Nutzen.

Abbildung 4 zeigt exemplarisch, wie das Ökosystem Wald gleich alle vier dieser Leistungen erbringt.

Abb. 3: Ökosystemleistungen und ihre Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen. (BfN Skripten 318 (2012)
Abb. 4: Darstellung der Ökosystemleistungen des Waldes. (BfN Skripten 318 (2012) © Monika Nussbaum, UFZ)

Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt. Der Großteil der Wirkstoffe unserer modernen Medikamente sind natürlich vorkommende Substanzen, oder synthetische Nachbildungen bzw. Modifikationen davon. Beispiele hierfür sind das Madagaskar-Immergrün und die (Pazifische) Eibe, aus denen Krebsmedikamente hergestellt werden, oder die Fingerhüte, aus denen Herzmedikamente gewonnen werden. Ganze Forschungs- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche der Bioökonomie bedienen sich inzwischen an der natürlichen Biodiversität als Quelle biologischen Wissens.

Durch den Verlust an immer mehr Arten gehen auch potentielle zukünftige Wirkstoffe und andere „bioinspirierte“ Innovationen verloren.

Abb. 5: Aus dem Roten Fingerhut (Digitalis pururea) kann man hochwirksame Herzmedikamente herstellen. Zudem bietet er Nahrung für zahlreiche Insekten, die ihrerseits wiederum wichtige Funktionen im Ökosystem erfüllen. Zudem wird sein Anblick von vielen Menschen (zurecht) als ästhetische Bereicherung empfunden. (Quelle: Pharmawiki)

Biodiversität und Ökosystemleistungen sind in vielen Fällen eng miteinander verzahnt, wobei die Biodiversität von grundlegender Bedeutung für die oben genannten Ökosystemleistungen und damit auch für das menschliche Leben und Überleben ist. Man kann sich Biodiversität als eine Art Versicherung der Ökosystemleistungen vorstellen.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Nehmen wir an, in einem Lebensraum gibt es fünf Arten, die für die Wasserreinigung zuständig sind. Wenn wir nun drei davon verlieren, können wir uns das vielleicht “leisten”, denn wir haben ja noch zwei. Wenn eine davon aber nun auch noch ausfällt (z.B. durch einen natürlich auftretenden Schädling), dann bleibt nur noch eine. Und was ist, wenn von diesen anfänglichen drei ausgestorbenen Arten noch andere Arten abhängig sind, die ebenfalls wichtige Leistungen erbringen?

Biodiversität – Wodurch wird sie gefährdet?

In seinem letzten Sachstandsbericht aus dem Jahr 2019 kam der IPBES (IPBES verhält sich zu Biodiversität wie IPCC zu Klima) u.a. zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Das Artensterben ist heute mindestens zehn- bis hundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre.
  • Die globale Waldfläche beträgt nur 68 % im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter.
  • 75 % der Landoberfläche und 66 % der Meeresfläche sind durch menschlichen Einfluss verändert.
  • Über 85 % der Feuchtgebiete sind in den letzten 300 Jahren verloren gegangen.

Doch wodurch werden diese Veränderungen ausgelöst? Bzw. welche Aktivitäten sind die Haupttreiber dafür? Eine kürzlich im Journal Science erschienene Studie beschäftigte sich genau damit. Je besser man die Ursachen kennt, desto besser kann man Lösungen dafür entwickeln.

Veränderte Land- und Meeresnutzung (also z.B. Waldrodung, Trockenlegung von Mooren, Schleppernetzte etc. generell alles, wodurch ein natürliches Ökosystem/Lebensraum durch menschliches Einwirken verändert wird) ist demnach der Haupttreiber des aktuellen Verlusts an Biodiversität. Direkte Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Umweltverschmutzung landen auf dem zweiten und dritten Platz. Klimawandel und invasive Arten spielen in Bezug auf den Verlust der Biodiversität eine geringere Rolle. Hervorzuheben ist , dass diese Faktoren auf Durchschnittswerten beruhen und auf globaler Ebene gelten. Einzelbetrachtungen können hiervon abweichen. Oftmals sind einzelne Treiber auch miteinander verzahnt.

Vereinfacht und im globalen Durchschnitt lässt sich jedoch sagen: Arten verschwinden, bzw. werden weniger, weil ihr Lebensraum verloren geht, verändert wird oder starke Eingriffe in diesen erfolgen. Und ursächlich hierfür ist menschliches Handeln.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Die Lösung dieser Probleme ist die wohl schwierigste Aufgabe überhaupt. Ohnehin, wie bei allen diesen nicht nur komplizierten, sondern auch komplexen Problemen gibt es wohl keine einfachen Lösungen, sondern viele Zielkonflikte und deshalb Abwägungen.

Auf der einen Seite wird die Weltbevölkerung weiter anwachsen und als globale Gemeinschaft stehen wir in der ethischen Pflicht, diesen Menschen ein lebenswertes Leben mit u.a. ausreichend und gesunder Nahrung, günstig verfügbarer Energie, Bildung und Kultur zu ermöglichen. Andererseits wächst dadurch der Druck auf natürliche Ökosysteme und damit auf die Biodiversität sowie auf das Klima weiter an.

Wir sollten deshalb alle uns zur Verfügung stehenden Werkzeuge nutzen, um Fläche und damit Lebensraum zu schonen.

Dazu zählen u.a.:

  • Bereits bestehende Prozesse weiter optimieren und deren Effizienz steigern, also zum Beispiel den Ertrag von vorhandenem Ackerbau nachhaltig erhöhen, um nicht noch mehr Fläche zu benötigen.
  • Neue genomische Technologien wie z.B. die Genschere CRISPR: Anders als bisherige Methoden der Gentechnik ist CRISPR deutlich präziser, schneller und günstiger. Damit ließen sich ganz gezielt ertragreichere Sorten züchten und somit durch Fläche einsparen.
  • Präzisionsfermentation und andere effiziente Produktionsweisen fördern, denn damit lassen sich Lebensmittel auf deutlich weniger Fläche produzieren.

Auch bezüglich Energieversorgung sollten möglichst diese bevorzugt werden, die einen geringen CO2-Fußabdruck haben, wenig Fläche und wenig Rohstoffe benötigen. Wir brauchen das, was der IPCC in seinem 2019 erschienenen Bericht, nachhaltige Intensivierung nennt (IPCC (2019): Climate Change and Land, S. 501)!

Parallel dazu sollten möglichst viele der noch bestehenden Lebensräume unter Schutz gestellt werden und, wo möglich, Renaturierungsmaßnahmen eingeleitet werden.

Dennoch sollten wir uns wohl vor Augen halten, dass wir einen Teil der Biodiversität durch unser Handeln einbüßen, sozusagen “zahlen” müssen. Und womöglich ist das auch ein notwendiges Übel, wenn es uns dabei hilft, ein immer besseres Leben für immer mehr Menschen zu ermöglichen. Doch mittlerweile haben wir gelernt, dass wir selbst es sind, die am meisten von einer intakten Biodiversität profitieren. Und dieses Wissen sollten wir nutzen und umsetzen!

Literatur

Boenigk, Jens ; Wodniok, Sabina: Biodiversität und Erdgeschichte. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2014.

https://eur03.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fdoi.org%2F10.5281%2Fzenodo.3553579&data=02%7C01%7Cbenedict.aboki.omare%40ipbes.net%7C9fdf54aed7444f5b227108d77a69b741%7Cb3e5db5e2944483799f57488ace54319%7C0%7C0%7C637112466769067533&sdata=qYy%2BRC%2BX%2BH83ayZLgMBGaiFAI0Wqt5kYdrIzv36IYd8%3D&reserved=0

https://ipbes.net/sites/default/files/inline/files/ipbes_global_assessment_report_summary_for_policymakers.pdf

https://oekoprog.org/praezisionsfermentation/

https://ourworldindata.org/extreme-poverty-in-brief

https://ourworldindata.org/grapher/share-of-population-living-in-extreme-poverty-cost-of-basic-needs?country=~OWID_WRL

https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rstb.2009.0155#d3e248

https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/service/Dokumente/skripten/skript318.pdf

https://www.botanikus.de/informatives/giftpflanzen/alle-giftpflanzen/madagaskar-immergruen

https://www.cbd.int/convention/articles/?a=cbd-02

https://www.de-ipbes.de/de/Globales-IPBES-Assessment-zu-Biodiversitat-und-Okosystemleistungen-1934.html

https://www.evogeneao.com/de

https://www.fao.org/ecosystem-services-biodiversity/en/

https://www.floraweb.de/xsql/artenhome.xsql?suchnr=1964&

https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/11/SRCCL-Full-Report-Compiled-191128.pdf

https://www.newscientist.com/article/2313582-rice-and-maize-yields-boosted-up-to-10-per-cent-by-crispr-gene-editing/

https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Paclitaxel

https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Roter_Fingerhut

https://www.researchgate.net/profile/Unai-Pascual/publication/303444184_The_Economics_of_Valuing_Ecosystem_Services_and_Biodiversity/links/5746b08208aea45ee8561db8/The-Economics-of-Valuing-Ecosystem-Services-and-Biodiversity.pdf

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abm9982

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0169534711002424

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Marc Braun

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